Nachhaltigkeit in der Baubranche aus der Sicht eines Tragwerksplaners

Einleitung

Die Baubranche steht vor einer der größten Herausforderungen unserer Zeit: der Nachhaltigkeit. Angesichts der zunehmenden Umweltbelastung und der begrenzten Ressourcen ist es unerlässlich, nachhaltige Praktiken in den Bauprozess zu integrieren. 

Dieser Blog-Artikel soll einen Überblick über die Nachhaltigkeit in der Baubranche geben und die Wichtigkeit hervorheben.

Als Tragwerksplaner sehe ich es als meine Verantwortung, nachhaltige Lösungen in jedes Bauprojekt zu integrieren. Doch was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit?

1. Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit bezieht sich allgemein auf die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Gegenwart zu erfüllen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. In der Baubranche bedeutet Nachhaltigkeit die Schaffung von Gebäuden und Infrastrukturen, die umweltfreundlich, wirtschaftlich sinnvoll und sozial verantwortungsvoll sind.

Die Rolle des Tragwerksplaners

Tragwerksplaner spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung nachhaltiger Prinzipien, indem sie sicherstellen, dass Bauwerke langlebig, ressourcenschonend und energieeffizient gestaltet werden.

2. Die Säulen der Nachhaltigkeit in der Baubranche

Ökologische Nachhaltigkeit

Die ökologische Nachhaltigkeit konzentriert sich auf die Reduzierung von CO2-Emissionen und die Schonung von Ressourcen. Durch den Einsatz umweltfreundlicher Materialien und energieeffizienter Bauweisen können wir die Umweltauswirkungen von Bauprojekten erheblich reduzieren.

Ökonomische Nachhaltigkeit

Ökonomische Nachhaltigkeit bedeutet, die Lebenszykluskosten von Gebäuden zu berücksichtigen und wirtschaftlich sinnvolle Bauweisen zu fördern. Langlebige und energieeffiziente Gebäude sind langfristig kosteneffizienter und bieten einen höheren Mehrwert.

Soziale Nachhaltigkeit

Soziale Nachhaltigkeit bezieht sich auf die langfristige Nutzung der Gebäude und die Verbesserung der Lebensqualität der Nutzer. Dies umfasst die Schaffung gesunder und sicherer Wohn- und Arbeitsumgebungen sowie die Berücksichtigung sozialer Aspekte bei der Planung und dem Bau von Gebäuden.

3. Nachhaltige Baustoffe

Auswahl umweltfreundlicher Materialien

Nachhaltige Baustoffe spielen eine zentrale Rolle bei der ökologischen Nachhaltigkeit. Materialien wie Holz, Recycling-Beton und Lehm sind umweltfreundlich und tragen zur Reduzierung der Umweltbelastung bei.

  • Holz: Holz ist ein nachwachsender Rohstoff mit einer positiven CO2-Bilanz. Es speichert während seines Wachstums CO2 und trägt so zur Reduktion der Treibhausgase bei. Zudem ist es vielseitig einsetzbar und bietet hervorragende Dämmwerte.
  • Recycling-Beton: Recycling-Beton verwendet wiederverwertete Baustoffe aus Abbruchmaterialien. Dies reduziert den Bedarf an neuen Rohstoffen und verringert den Abfall.
  • Lehm: Lehm ist ein natürlich vorkommender Baustoff, der durch seine gute Wärmespeicherfähigkeit und Feuchtigkeitsregulierung besticht. Er ist leicht verfügbar und kann mehrfach wiederverwendet werden.
  • Weitere Baustoffe: In der aktuellen Zeit werden immer wieder neue Baustoffe oder bestehende Materialien aus anderen Branchen für Versuche und erste Bauvorhaben genutzt.

Bewertung der Lebenszyklusanalyse (LCA)

Die Lebenszyklusanalyse (LCA) bewertet die Umweltauswirkungen eines Baustoffs über seinen gesamten Lebenszyklus – von der Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung und Nutzung bis hin zur Entsorgung. Diese Analyse hilft bei der Auswahl der umweltfreundlichsten Materialien, indem sie Faktoren wie Energieverbrauch, CO2-Emissionen und Ressourcenschonung berücksichtigt.

Regionalität und Verfügbarkeit

Die Regionalität von Baustoffen spielt eine wichtige Rolle in der Nachhaltigkeit. Der Einsatz lokal verfügbarer Materialien reduziert Transportwege und damit verbundene Emissionen. Zudem stärkt dies die lokale Wirtschaft und fördert regionale Handwerkstraditionen.

4. Zirkuläres Bauen

Prinzipien des zirkulären Bauens

Das zirkuläre Bauen basiert auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und der Wiederverwendung. Gebäude werden so konzipiert, dass sie leicht demontiert und ihre Materialien wiederverwendet werden können. Dies umfasst auch das “Design for Deconstruction”, bei dem Gebäude so geplant werden, dass ihre Komponenten am Ende ihrer Nutzungsdauer einfach zerlegt und wiederverwendet werden können.

Vorteile des zirkulären Bauens

Zirkuläres Bauen trägt zur Reduzierung von Abfall und Ressourcenverbrauch bei und fördert die Nachhaltigkeit. Durch die Wiederverwendung von Materialien wird der Bedarf an neuen Rohstoffen minimiert, und Abfallprodukte werden in den Produktionszyklus zurückgeführt.

Praxisbeispiele und erfolgreiche Projekte

  • Park 20|20 in den Niederlanden: Ein Geschäftspark, der nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gebaut wurde. Alle verwendeten Materialien sind wiederverwendbar oder recycelbar.
  • Circular London: Eine Initiative, die auf das Ziel Londons, 2030 CO2-Neutral zu sein, einzahlt. Auf mehreren Ebenen versucht die Stadt so, auch im Gebäude-Sektor CO2 massiv einzusparen.

5. Nachhaltigkeit der Nutzung

Langfristige Nutzung betrachten

Beim Betrieb eines Gebäudes muss schon während der Planung bedacht werden, dass die Nutzung des Gebäudes sich später mal ändern könnte. Bürogebäude können zu Produktionen werden, Lagerhallen zu Coworking-Spaces, Büroflächen zu Wohneinheiten und viele weitere Umnutzungen. Solch eine Umnutzung kann nur gelingen, wenn bereits bei der Planung darauf geachtet wird. In einem Büro eine tonnenschwere Produktionsanlage zu installieren, könnte dann scheitern, weil der Boden die Last nicht tragen kann. Hier sollte wirtschaftlich abgewägt werden, welche Lösungen am meisten Sinn machen.

Energieeffizienz und -management

Die Energieeffizienz und das Management spielen eine Schlüsselrolle bei der Nachhaltigkeit der Nutzung. Gebäude, die nach dem Passivhaus-Standard oder als Nullenergiegebäude konzipiert sind, verbrauchen weniger Energie und sind umweltfreundlicher. Dies umfasst auch den Einsatz erneuerbarer Energien wie Solar- und Windenergie sowie intelligente Gebäudetechnologien zur Optimierung des Energieverbrauchs.

Wasser- und Abfallmanagement

Effizientes Wasser- und Abfallmanagement ist ein weiterer wichtiger Aspekt der nachhaltigen Nutzung von Gebäuden. Techniken wie Grauwassernutzung und Regenwassersammlung reduzieren den Wasserverbrauch. Abfallvermeidung und Recyclingkonzepte tragen dazu bei, den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren.

Instandhaltung und Flexibilität

Langlebige und anpassungsfähige Bauwerke sind nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch umweltfreundlich. Eine regelmäßige Instandhaltung und flexible Nutzungsmöglichkeiten verlängern die Lebensdauer von Gebäuden. Dies bedeutet, dass Gebäude so geplant werden, dass sie sich an veränderte Nutzungsanforderungen anpassen lassen, ohne dass umfassende Umbaumaßnahmen erforderlich sind. 

Gebäude sollten so geplant werden, dass Tragkonstruktionen grundsätzlich zugänglich und überprüfbar sind. Bei den regelmäßigen Bauwerksüberprüfungen hätte man damit die Möglichkeit, bei einem Mangel schnell gegensteuern zu können. Wenn sich die Bauteile z.B. hinter Verkleidungen befinden, die nur schwer zu entfernen sind, dann bleiben Mängel möglicherweise jahrelang oder für immer unentdeckt, was zu Problemen führen könnte. Die erforderliche Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit wäre dann nicht mehr gegeben. 

6. Weitere Bestandteile der Nachhaltigkeit in der Baubranche

Nachhaltiger Transport

Der nachhaltige Transport reduziert Transportwege und -emissionen und fördert die Nutzung umweltfreundlicher Transportmittel. Dies umfasst weiterhin die Planung von Bauprojekten in der Nähe öffentlicher Verkehrsmittel sowie die Nutzung von Elektrofahrzeugen und Fahrrädern für Baustellenlogistik.

Nachhaltigkeit in der Zusammenarbeit

Die soziale Verantwortung der Baufirmen umfasst die Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter für nachhaltiges Bauen sowie die Sicherstellung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Gut geschulte Mitarbeiter sind in der Lage, nachhaltige Baupraktiken effektiv umzusetzen und tragen so zur Gesamtleistung des Projekts bei.

Gleichzeitig sollten Baufirmen darauf achten, die soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten, indem auf gute Arbeitsbedingungen und ein gesundes Arbeitsumfeld auf den Baustellen geachtet wird.

Nachhaltigkeit von Baufirmen

Baufirmen sollten nachhaltige Unternehmenspraktiken implementieren und ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft wahrnehmen. Dies kann durch Maßnahmen wie die Reduzierung des eigenen CO2-Fußabdrucks, die Einführung umweltfreundlicher Technologien und die Einhaltung ethischer Geschäftspraktiken erreicht werden.

7. Zertifikate und Standards

Überblick über relevante Nachhaltigkeitszertifikate

  • LEED (Leadership in Energy and Environmental Design): Ein weltweit anerkanntes Zertifizierungssystem für nachhaltige Gebäude, das verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit bewertet, darunter Energieeffizienz, Wassermanagement und Materialauswahl.
  • DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen): Ein umfassendes Bewertungssystem, das ökologische, ökonomische und soziale Kriterien berücksichtigt und für verschiedene Gebäudetypen anwendbar ist.
  • BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method): Ein britisches Zertifizierungssystem, das die Nachhaltigkeit von Gebäuden in verschiedenen Kategorien bewertet, darunter Energie, Gesundheit und Wohlbefinden, Materialien und Abfallmanagement.

Vorteile und Bedeutung von Zertifikaten

Zertifikate bieten eine unabhängige Bewertung der Nachhaltigkeit von Bauprojekten und fördern die Einhaltung hoher Umweltstandards. Sie dienen als Nachweis für die nachhaltige Qualität eines Gebäudes und erhöhen den Marktwert und die Attraktivität von Immobilien.

Prozess der Zertifizierung und Anforderungen

Der Zertifizierungsprozess umfasst die Planung, Durchführung und Bewertung von Bauprojekten nach den Kriterien der jeweiligen Zertifizierungssysteme. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmen, um die erforderlichen Standards zu erfüllen und die notwendigen Dokumentationen vorzulegen.

Sind die Zertifikate auch das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind oder sind sie doch nur Marketing für Unternehmen? Dies ist je nach Zertifikat einzeln zu beurteilen und kann nicht pauschal beantwortet werden. Eins ist klar: Ein Zertifikat macht ein Gebäude allerdings noch lange nicht nachhaltig.

Fazit

Die nachhaltige Gestaltung und Nutzung von Gebäuden ist ein zentraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Bauindustrie. Durch den Einsatz umweltfreundlicher Materialien, energieeffizienter Bauweisen und sozialer Verantwortung können wir die negativen Auswirkungen der Baubranche auf die Umwelt minimieren. Es liegt an uns allen, Architekten, Ingenieuren, Bauherren und Bauunternehmen, gemeinsam an einer nachhaltigen Zukunft zu arbeiten.

Klicken Sie hier, damit wir gemeinsam Ihr Gebäude in allen Bereichen so nachhaltig wie möglich bauen.

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